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Zweitzeugen!? Heißt das nicht Zeitzeugen?

Ein Tippfehler? Nein -  sondern das Weitererzählen der Geschichten von Zeitzeugen, von Überlebenden der Shoa, durch jüngereMenschen: die Zweitzeugen.

Der Ausweis von Rolf Abrahamson, ausgestellt in Recklinghausen am 11.1. 1938

Rolf Abrahamson (rechts) und seine Brüder

Der Zeitzeuge Rolf Abrahamson

Fotos mit freundlicher Genehmigung des ZWEITZEUGEN e.V.

Am 9. November 2021, dem Jahrestag der Novemberpogrome1938, fand am Apostelgymnasium ein Workshop zum Thema Zweitzeugen statt. Unter der professionellen Leitung von Ksenia Eroshina von ZWEITZEUGEN e.V. beschäftigten sich die 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, aus dem Projektkurs „Zeitzeugenbefragung“ der Q1 und dem Leistungskurs Geschichte der Q2, mit den Lebensläufen von Überlebenden - besonders intensiv mit dem von Rolf Abrahamson, geboren 1925 in Marl. Mit Texten, Ton-und Bilddokumenten konnte Rolf Abrahamson die Teilnehmerinnen und Teilnehmern in seinen Bann schlagen. Dabei gab es immer wieder Raum zu Reflexion und für den Austausch. Anschaulich wurde vor Augen geführt, wie Lebensraum und Existenzmöglichkeiten von als jüdisch verfolgten Menschen sofort nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 durch Verordnungen und Gesetze immer weiter eingeschränkt wurden. Die Jugendlichen wurden schließlich selbst zu Zweitzeugen, indem sie die Lebensgeschichten seinerzeit verfolgter Überlebender erzählten, die ihnen in Arbeitsheften zur Verfügung gestellt wurden: Tibi Ram, Elisheva Lehman und Erna de Vries. Malte Kurtz (Q1) berichtet:

„Im Workshop „Zweitzeugen“ haben wir verschiedene Geschichten von als Juden und Jüdinnen verfolgten Menschen kennengelernt. Wir haben uns Interviews mit diesen Betroffenen angehört und dann auch selbst einmal ihre Lebensgeschichte vorgestellt. Wir haben die Shoah nochmal aus einer anderen Sicht wahrnehmen können. Es war sehr interessant und bewegend,diese Erzählungen zu hören und eine bedeutende Erfahrung, so eine Geschichte anderen einmal selbst zu erzählen. Am Ende konnten wir noch einen Brief an die Menschen schreiben, deren Geschichte wir gehört und selbst erzählt haben. Das ist eine sehr schöne Idee, denn so wird den Zeitzeugen etwas zurückgegeben.“

Eva Roxborough (Q1) schreibt: „Wir haben uns vor Augen geführt, dass die Gesetze von heute dem Zweck dienen, Bürger und Bürgerinnen zu schützen, die Gesellschaft zu ordnen und eine Form der Gerechtigkeit zu schaffen, während die antisemitischen Gesetze dazu dienten, Juden zu unterdrücken, ihnen die Lebensgrundlage zu rauben und sie aus der Gesellschaftauszuschließen. Ich wusste natürlich, dass die Juden massiv in ihrer Freiheit eingeschränkt wurden, aber was mich dermaßen entsetzt hat, war das Gesetz, welches vorschrieb, was Juden verboten war zu essen und vor allem, dass über 2000 Gesetze gegen Juden im Zeitraum von 1933-1945 verhängt wurden.“ (…) „Insgesamt fand ich den Workshop sehr lehrreich, interessant und bereichernd. Ich bin froh, dass wir als Projektkurs daran teilgenommen haben und jetzt ein besseres Verständnis sowohl von unterschiedlichsten Erfahrungen der Verfolgung als auch von der Arbeit der ZWEITZEUGEN haben“.

An der Schnittstelle des Übergangs vom kommunikativen zum kollektiven Gedächtnis – die hochbetagten Zeitzeuginnen und Zeitzeugen werden nicht mehr lange Gelegenheit haben, ihre Geschichten zu erzählen – ist es wichtig, die Erinnerung an die Shoa als eines „Menschheitsverbrechens“ wach zu halten. Dieser Workshop hat dazu beigetragen. Wir danken der Antisemitismus-Beauftragten des Landes NRW, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, für die Förderung dieses Workshops.

 (Foto und Text Katharina Frings)