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KULTUR: Schüler stellen Werke aus - Bild des Monats
von JÜRGEN KISTERS, 17.06.2004

Der Pfad des Todes


Ganz unterschiedliche künstlerische Herangehensweisen zum Thema Vergänglichkeit zeigen Schüler von drei Gymnasien in der Paul-Gerhardt-Kirche.

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Lindenthal - Was denken Jugendliche im 21. Jahrhundert über die Vergänglichkeit? Auskunft darüber gibt eine Ausstellung in der Lindenthaler Paul-Gerhardt-Kirche, in der Schüler der Pulheimer Geschwister-Scholl-Schule, des Kölner Schillergymnasiums und des Kölner Apostelgymnasiums ihre Ansichten darüber zum Ausdruck bringen. Mehrere Monate bereiteten sie das von Pfarrer Achim Beuscher initiierte Projekt im Kunstunterricht vor, das jetzt bei einer Eröffnungsveranstaltung mit Orgelmusik und einer von den Schülern selbst entwickelten Text-Collage vor großem Publikum öffentlich gemacht wurde.

Besteht gemeinhin die Auffassung, für junge Menschen sei die Vergänglichkeit des Lebens kein sonderliches Thema, belehrt die Ausstellung schnell eines Besseren. Da führt die Lebensspirale in Form abgebrannter Zigaretten auf den Pfad des Todes und Verfalls. Am Beispiel einer fotografischen Verwandlungsfolge von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter verliert die Idee körperlicher Schönheit ihre illusionäre Kraft und erscheint stattdessen, symbolisiert in einem Haus mit Gittern, als ein gedankliches Gefängnis. Viele über den Kirchenraum verteilte Gipsobjekte relativieren das Bild des ewig jungen Menschen im Spannungsfeld von Totenschädel und Naturformen. Und ein Mobile, an dem Fotos von diversen Gewaltereignissen und Kriegsschauplätzen baumeln, macht bewusst, dass die alltägliche Realität voll von Vergänglichkeitshinweisen ist.

Liegt es möglicherweise an den Terroranschlägen des 11. September 2002 oder an einer grundlegenden Zukunftsangst, dass die Erfahrung der Vergänglichkeit von allem in jüngster Zeit auch für Jugendliche bereits von nagender Brisanz ist? Ausgehend von Begriffen wie Krieg, Gentechnik, Konsum, Umwelt, Schönheitswahn oder Computer wurden die Schüler von ihren Lehrern dazu aufgefordert, ihre individuelle Sicht auf das Phänomen der Vergänglichkeit künstlerisch zu gestalten.

Im Schillergymnasium war damit im Kunstkursus des 11. Jahrgangs eine "ästhetische Forschungsreise" verbunden, in der die Schüler zunächst in einem Arbeitstagebuch ihre Fundstücke, Informationen und Gedankengänge dokumentierten, um daraus in einem Prozess der vielfältigen Annäherung schließlich, orientiert an bestehenden Kunststilen, ein eigenes kreatives Konzept zu entwickeln. So beschäftigen sich gleich mehrere Ansätze mit der körperlichen Schönheit: als Collage zerknitterter Werbeschönheiten im Zeichen eines zerbrochenen Spiegels oder als in Gips geformtes Waren-Ersatzteillager von Gesichtsmasken und anderen Körperfragmenten. Andere Werke wiederum fragen in einer Konfrontation von Malerei und Computerprints nach der ethischen Dimension der Stammzellenforschung oder zeigen den Menschen als Barbiepuppe im Konsum-Gefängnis.

Im Gymnasium Geschwister-Scholl-Schule setzen sich die Schüler der Jahrgangsstufe 12 im Rahmen einer Hausarbeit mit dem Thema auseinander. Auffallend an ihren Beiträgen ist die Verknüpfung von schlichten Materialien und neuer Medientechnik. Mit einer Lichtbild-Projektion auf eine Milchoberfläche wird gezeigt, dass sogar Erinnerungen verblassen können. Und am Beispiel von Fischen geht es um die vielfältigen Übergänge von Leben und Tod, Zerstückelung und Ganzheit und um verschiedene Formen der Konservierung.

Wie eine Verdichtung aller Facetten des Themas erscheint schließlich der 30 Meter lange Fries, in dem die Kunst-AG des Apostelgymnasium mit Elementen von Comic und Manga ihre ganz eigene Bildwelt schuf. Seit drei Jahren arbeiten Schüler der Jahrgangsstufen sieben bis zwölf in dieser AG zusammen und entwickeln aus vielen individuellen Skizzen gemeinsame Kompositionen. Zwischen Horror und Witz, Parodie und nachdenklicher Klarheit entfaltet das lang gestreckte Bild in verwirrender Vieldeutigkeit ein Szenario von Gewalt, Tod, Angst und explosiver Unsicherheit. Hierbei reicht die Spanne von der einfachen Vergänglichkeit materieller Güter (wie das Geld) über das Altern bis zu unterschiedlichen Formen von Tod und Sterben. Prägnanter als dieser Fries kann im Zeichen des christlichen Kreuzes im Altarraum der Paul-Gerhardt-Kirche die Verbindung von christlicher Glaubenstradition und moderner Lebenswelt kaum zum Ausdruck gebracht werden. Paul-Gerhardt-Kirche, Lindenthalgürtel 30, Mo-Fr 17-19, So 11.30-14 Uhr, bis 20. Juni.


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