DIE ZEIT

36/2005

Das bewegliche Klassenzimmer

Warum eine Schule in Köln Chemie im Container unterrichtet

Von Sandra Irlenkäuser

Ganze 180000 Euro hat er gekostet und versperrt nun einen Großteil des Schulhofs des Apostel-Gymnasiums in Köln. Schulleiter Klaus Zimmermann nennt ihn stolz »ein Novum«: den Container, der ein Chemieraum ist. Während der alte Naturwissenschaftstrakt saniert wird, lernen die Schüler im Provisorium.

Von außen sieht er ein bisschen aus wie eine Unterkunft für Bauarbeiter, wenn auch eine elegante. Weiß gestrichen, auf Holzpaletten, mit einer kleinen gezimmerten Treppe zur Eingangstür. Drinnen läuft noch nicht alles glatt. »Warum klappt das nicht?« Die Chemielehrerin Vera Scholz und ihr Kollege versuchen die Propangasleitungen aufzudrehen. »Im alten Chemieraum lief alles unterirdisch zu den Tischen«, erklärt sie. »Hier geht es obenrum.« Unter der Decke hängt ein U-förmiges Stahlsystem, in dem Gas und Wasser zu den Tischen gelangen. Über jeder Bankreihe sind vier Hähne montiert. Die Schüler können sich mit Schläuchen einkoppelnund Wasser und Gas auf ihre Plätze ziehen. »Endlich müssen wir die Bänke nicht mehr auf dem Boden festschrauben«, sagt Vera Scholz. Alles in diesem Klassenzimmer ist flexibel: die Tische, das Abzugsgerät, in dem gefährliche Experimente durchgeführt werden,sogar das Pult steht auf Rollen. Ein Computer ist schon da, ein Fernseher soll noch kommen. Auch ein Beamer soll installiert werden, der dann die Computerbilder auf die weiße Fläche über der Tafel projiziert. Über jeder Tischreihe schweben Lautsprecher indem Stahlträger. »Dann hören die Kinder auch alles, wenn wir mal eine Präsentation zeigen«, sagt Vera Scholz.

Etwas moderner als der typische Chemiesaal ist er schon, der Container, doch ansonsten wirkt er wie ein normales Klassenzimmer. »Schöner als unser alter Raum«, meint jedenfalls die Siebtklässlerin Miriam. Ihre Klasse findet in dem Container locker Platz, 120 Quadratmeter groß ist er insgesamt, hinter dem Klassenzimmer gibt es noch einen Lagerraum. Nur wenn 35 Schüler mal ihre Reagenzgläser ausspülen müssen, wird es eng am einzigen Waschbecken.

Der Container soll samt Ausstattung auf Reisen gehen, sobald die Sanierung des Apostel-Gymnasiums abgeschlossen ist. Die Stadt plant ihn auch bei anderen Schulsanierungen einzusetzen. Und sollte es mal keinen Bedarf in der Stadt mehr geben? Man könnte ihn bei eBay versteigern, ist ein Vorschlag. Interessenten gibt es genug. Bis dahin werden sich die Schüler nicht nur an den Container gewöhnen müssen, auch der Biologieraum wird saniert. Und da hat der Schulleiter kurzerhand ein ehemaliges Fitness-Studio angemietet.


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