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Kunst 5a 

Ein Mädchen war so brav geworden,
Wie sonst kein anderes weit und breit.
Es kriegte immer neue Orden,
Für seine Brav- und Artigkeit.

Das Mädchen (es hieß Annesuse)
Trug mit der Zeit nicht weniger
Als 30 Orden an der Bluse
(Und mancher sagt, es trug noch mehr).

Und wo es erschien, entstand ein Raunen,
Und Annesuse war es recht.
Sie ließ die Orden gern bestaunen.
Doch war das, wie sich zeigte, schlecht.

Denn eines Tages ging das Mädchen,
Die Orden an die Brust geschnallt,
Mit anderen Mädchen aus dem Städtchen
Hinein in einen dunklen Wald.

Da aber kam ein Wolf gegangen.
Aus war es mit dem Ordenstolz.
Sie sprang, so wie die anderen sprangen,
Zur Seite in das Unterholz.

Versteckt im Laubwerk zwischen Zweigen,
sah sie der böse Wolf nicht mehr.
Sie hockte da in tiefem Schweigen
Und bebte - wie die anderen - sehr.

Ja, Annesuse bebte weidlich,
Weil ihr das Herz im Halse schlug.
Und dabei klirrten laut und deutlich,
Die Orden die sie trug.

Die mehr als 30 Bravheitsorden
Wiesen dem Wolf den Weg zu ihr.
Und fragst du, was aus ihr geworden,
Da seufze ich und sage dir:

Das Mädchen starb in zarter Jugend,
Noch keine 13 Jahre alt,
Als Opfer seiner eigenen Tugend
durch einen bösen Wolf im Wald.